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Aus Liebe zu den Menschen
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Interview mit Matthias Biber

Herr Matthias Biber, Sie unterrichten Theologie und Religionspädagogik an der Fachakademie. Ich möchte Ihnen als Lehrer an einer evangelischen Schule eine provokante Frage stellen:
Wie kann man in der heutigen Zeit noch an einen personalen Gott glauben, dessen Offenbarung vor zweitausend Jahren schriftlich fixiert wurde?

Matthias Biber:

Ich denke, dass der Glaube an einen personalen Gott gerade heute besondere Attraktivität entfalten kann: In einer aufgeklärten Zeit werden Menschen nur den theologischen Antworten folgen, die auch eine persönliche Relevanz in ihrem Leben erlangen können. Menschen suchen gerade in einer globalisierten und „unpersönlicher“ werdenden Gesellschaft nachvollziehbare und in das eigene Menschsein integrierbare Antworten auf Fragen ihrer menschlichen Existenz. Es gibt ein schönes Bonmot, das die Lebensnähe eines personalen Gottes gut ausdrückt: Machs wie Gott, werde Mensch!

Halten Sie die Lehre von der Evolution für wahr oder glauben Sie an eine Schaffung des Menschen im wörtlichen Sinne des Alten Testaments?

Ich halte eine Gegenüberstellung der Evolutionstheorie und der biblischen Schöpfungsberichte für wenig sinnvoll. Beiden gemeinsam ist das Interesse grundlegende Fragen des Menschen aufzugreifen: Woher komme ich? Wie bin ich entstanden? Was ist meine Bedeutung?

Die biblischen Schöpfungsberichte versuchen zum einen deutlich zu machen, wie der Mensch ist und warum er so ist. Sie malen ein Bild vom Menschen, das unserer heutigen Realität noch immer entspricht. Und sie versuchen zu erklären, welche Bedeutung und welche Verantwortung der Mensch im Ganzen der Welt hat. Wer an diese sprachlich wunderbaren Texte den Anspruch einer wörtlichen Entstehungstheorie stellt, wird enttäuscht. In biblischen Texten wird immer die Beziehung des Menschen zu Gott und zu seinen Mitmenschen beschrieben. Ein wissenschaftlich – biologischer Anspruch würde die sprachliche Form und Zielrichtung völlig verfehlen.

Die Evolutionstheorie versucht die Entwicklung des Menschen zu begreifen und zu erklären. Das ist ein wissenschaftliches Anliegen, in dem das „wie“ der Entwicklung des Lebens im Vordergrund steht.

So gesehen schließen sich die beiden gar nicht aus. Die Theorie der Evolution halte ich für hilfreich in dieser wissenschaftlichen Perspektive, bei der Frage des „Warum und Wozu“ des Menschen halte ich mich gerne an die biblischen Berichte.

Die evangelisch-lutherische Fachakademie war schon immer offen gegenüber BewerberInnen mit römisch-katholischem Glauben. Nun öffnet sie sich auch muslimischen und bekenntnislosen BewerberInnen. Was halten Sie davon, wie funktioniert das in der Unterrichtspraxis und wie soll das weitergehen?

Das Recht auf religiöse Bildung ist im BEP und letztlich im Grundgesetz verankert. Erzieherinnen und Erzieher haben also in jeder Einrichtung in Bayern auch den Auftrag religiöse Bildung zu ermöglichen. Darum ist die Auseinandersetzung mit der eigenen Religiosität für jede und jeden unserer Studierenden nötig und wesentlicher Bestandteil der Ausbildung.

In der Praxis treffen unsere Studierenden später zunehmend auf ein sehr heterogenes religiöses Feld. Es ist darum hilfreich, wenn Studierende mit unterschiedlichen religiösen Sozialisierungen und aus unterschiedlichen Religionen den Prozess im Unterricht bereichern. Ich halte diese Öffnung für wichtig. Dadurch kann die spätere Berufspraxis deutlicher im Unterrichtsgeschehen aufgegriffen und vermittelt werden.

Grundlegend im Unterricht bleibt die christliche Religion, da sie auch zum Verstehen unserer Kultur nötig ist. Aber wie eine christliche Religion und Kultur im Geflecht anderer Religionen gelebt und in pädagogischen Angeboten vermittelt werden kann, muss ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung sein. Bisher funktioniert das sehr gut. Und ich hoffe, wir können das weiter entwickeln.

So vielfältig wie die Menschen, sind auch ihre Ansichten. Selbstverständlich gibt es auch „grenzwertige“ Einstellungen im Glauben und auch bei uns. Wichtig scheint mir, dass die Studierenden über ihre Einstellungen sprachfähig werden und lernen, kritische Rückfragen „auszuhalten“.

Als Gradmesser dient mir ein Satz des katholischen Theologen Fullbert Steffensky. Er sagt, dass Religion und Glaube dem Leben dienen müssen. Diesen Gradmesser vermittle ich im Unterricht auch den Studierenden: Stets zu prüfen, ob die religiöse Einstellung dem Leben dient oder ob sie das Leben verhindert. Das verhindert eine platte „Schwarz-weiß-Malerei“. Ausgrenzungen und Absolutheitsansprüche im Blick auf Glaube und Religion sind m.E. mit der späteren Verantwortung als Erzieherinnen und Erzieher nicht vereinbar. Im Unterricht empfinde ich bisher alles im „grünen Bereich“. Also „anregend“, aber nicht „ausfallend“.

Vielen Dank, Herr Biber, für die ausführlichen Antworten. In ihnen stecken viele Anregungen zum Nachdenken. Vielleicht entwickeln sich daraus an unserer Akademie auch fruchtbare Streitgespräche.

Das Interview führte Christoph Mößbauer im Februar 2016.